Frauen im Schneesport
Porträts, Interviews und weitere Informationen über Trainerinnen, Athletinnen und Frauen in Führungspositionen
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Während im Breiten- wie im Leistungssport der Frauenanteil erfreulicherweise kontinuierlich steigt, sind in den Führungsetagen von Verbänden und Sportorganisationen sowie in den Betreuungsteams Frauen noch immer unterrepräsentiert. Ob im Leistungssport, im Nachwuchsbereich oder im Breitensport: Begleitet werden die Schneesportlerinnen und Schneesportler auf ihrem Weg meist von Männern. Das Training wird von Trainern organisiert, die Ski werden vom Servicemann präpariert, der Skiclub wird vom Präsidenten geleitet. Es gibt zwar immer wieder Frauen, die wichtige Positionen in verschiedenen Bereichen des Schneesports einnehmen. Die Geschlechterungleichheit in Bezug auf Funktionärinnen und Trainerinnen besteht aber weiterhin.
Get-together der Frauen im Schneesport
Um die Präsenz von Frauen in Führungspositionen und in Betreuungsteams zu fördern, hat Swiss-Ski im Mai 2022 eine Arbeitsgruppe «Frauen im Schneesport» ins Leben gerufen. Als eine erste Massnahme fand am 24. September 2022 in Bern ein Get-together der Frauen im Schneesport statt. Die zahlreichen Teilnehmerinnen gingen dabei der Frage nach, was gemacht werden kann respektive muss, damit in Zukunft mehr Frauen eine Funktion im Schneesport ausüben, und erarbeiteten einen Katalog an Ideen für Lösungsansätze.
«Wir nehmen viele Inputs von diesem Treffen mit und haben durch die Teilnehmenden eine Vielzahl an Anhaltspunkten erhalten, wie künftig mehr Frauen eine Funktion im Schneesport ausüben werden. Ich freue mich sehr, dass sich Frauen aus der gesamten Schweiz, junge und ältere, aktive und ehemalige Athletinnen, Trainerinnen und Funktionärinnen an diesem Prozess beteiligt haben.»
Marlen Marconi, Leiterin Strategische Projekte bei Swiss-Ski
«Weibliche Vorbilder spielen eine entscheidende Rolle in der Förderung von Frauen in Führungspositionen im Schweizer Schneesport. Sie dienen als inspirierende Beispiele und zeigen, dass Frauen in der Branche erfolgreich sein können. Durch ihre Präsenz und Erfolge ermutigen sie andere Frauen, ihre Karrieren im Schneesport voranzutreiben und ebenfalls Führungspositionen anzustreben.»
Florence Koehn, Mitglied des Präsidiums von Swiss-Ski sowie Präsidentin des Exekutivrats NLZ Brig Nordisch,
Projektverantwortliche Leysin Big Air Bag und ehemalige Präsidentin von Ski Romand
Tamara Wolf und Marine Héritier: Inspiration und Vorbilder für andere Frauen
Marine Héritier ist seit Januar 2023 Direktorin bei Ski Valais, nota bene die erste Frau in dieser Funktion. Die ehemalige Skirennfahrerin Tamara Wolf gehört seit 2021 dem Präsidium von Swiss-Ski an, als erst zweite Frau in der bald 120-jährigen Geschichte des Schweizer Skiverbands. Beide Frauen zeigen, dass Frauen im Schneesport sehr wohl wichtige Führungsfunktionen innehaben können.
Nachfolgend sprechen Marine Héritier und Tamara Wolf darüber, woran es ihrer Erfahrung nach liegt, dass es im Schneesport nach wie vor nur wenig Frauen in leitenden Positionen gibt, welches die grössten Hürden sind und welche Ratschläge sie für junge Frauen, die eine Karriere in Führungspositionen anstreben haben, bereithalten.
Marine Héritier und Tamara Wolf, Sie sind beide eher die Ausnahme denn die Regel, wenn es um Frauen in Führungspositionen geht. Warum tun sich Frauen Ihrer Meinung nach schwer mit Führungsfunktionen generell – und im Schneesport?
Tamara Wolf: Der Schneesport, insbesondere Führungsfunktionen im Schneesport, wird historisch von Männern dominiert. Wobei es zu erwähnen gilt, dass Swiss-Ski diesbezüglich vielen anderen Sportverbänden einen Schritt voraus ist: In der sechsköpfigen Geschäftsleitung war das Verhältnis Frauen/Männer bisher ausgeglichen, und im Präsidium sind mit Florence Koehn und mir seit 2021 erstmals in der Geschichte von Swiss-Ski zwei Frauen vertreten. Damit beträgt der Frauenanteil im strategischen Organ von Swiss-Ski rund 30%. Nun, weshalb fehlen Frauen in Führungsfunktionen überhaupt? Ich kann mir vorstellen, dass Frauen oftmals das Selbstvertrauen oder der Mut fehlt, sich dieser Herausforderung zu stellen. Es braucht ein bestimmtes Mass an Entschlossenheit, diesen Schritt zu wagen. Eine andere Thematik ist sicherlich die Vereinbarkeit mit der Familie und dem Beruf, welche Frauen davon abhält, eine Führungsfunktion anzustreben.
Marine Héritier: Meiner Meinung nach kann sogar von Vorteil sein, als Frau in einer solchen Führungsposition zu sein. Frauen bringen einen anderen Blick auf verschiedene Aspekte des Berufs mit und öffnen Türen für potenzielle Veränderungen. Zurzeit werden viele Anstrengungen unternommen, um die Chancengleichheit in allen Bereichen, auch im Schneesport, zu fördern und die Beteiligung von Frauen in Führungspositionen zu fördern. Ich denke dabei insbesondere an Sensibilisierung, Bildung, die Förderung und Sichtbarmachung inspirierender weiblicher Vorbilder sowie die Schaffung eines integrativen Umfelds und die Verabschiedung gerechter politischer Massnahmen.
Marine Héritier, Sie haben eben die «Sichtbarmachung weiblicher Vorbilder» erwähnt. Wie wichtig sind weibliche Vorbilder, beispielsweise als Mentorinnen, in dieser ganzen Thematik?
Marine Héritier: Für das Vorankommen von Frauen in Beruf und Sport spielen weibliche Vorbilder eine wichtige Rolle. Sie inspirieren oder ermutigen andere Frauen, indem sie ihnen zeigen, dass es möglich ist, Hindernisse zu überwinden und ihre beruflichen Ziele zu erreichen. Ich für meinen Teil hatte auf meinem beruflichen Weg immer eine inspirierende Frau oder Mentorin. Also ein Vorbild, das inspiriert, seine Erfahrungen teilt und beim beruflichen Aufstieg anleitet.
Tamara Wolf: Weibliche Vorbilder sind in der Tat sehr wichtig. Durch das Teilen von Erfahrungen, Herausforderungen und Erfolgen können sie andere Frauen ermutigen, sich Herausforderungen zu stellen und ihre Ziele zu verfolgen. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, Beispiele solcher Vorbilder aufzuzeigen. Zudem hilft es sicherlich, sich eine Mentorin zu suchen und Infos und Tipps bei einer anderen Frau abzuholen. In der Geschichte gibt es viele tolle Frauen, die auf der ganzen Welt sehr viel erreicht haben.
Tamara Wolf und Marine Héritier, Sie sind beide Inspiration und Vorbilder für andere Frauen. Was raten Sie jungen Frauen, die eine Karriere in Führungspositionen anstreben – sei es im Schweizer Schneesport oder in anderen Bereichen?
Tamara Wolf: Habt den Mut, etwas zu wagen und aus eurer Komfortzone rauszukommen. Sucht euch eine Mentorin, die euch unterstützt. Tretet klar und selbstbewusst für eure Anliegen ein. Definiert eure Ziele und konkreten Anliegen und lasst euch nicht sofort vom Kurs abbringen. Übrigens: Auch von einer Niederlage kann man lernen und gestärkt herauskommen. Und vergesst eines nicht: Indem ihr neue und andere Perspektiven reinbringt, könnt ihr einen grossen Mehrwert bringen. Davon profitieren alle!
Marine Héritier: Wenn ich jungen Frauen in aller Bescheidenheit ein paar Tipps geben könnte, dann wären das folgende:
- Seid ehrgeizig und setzt euch klare Ziele.
- Investiert in eure persönliche und berufliche Entwicklung. Sucht nach Möglichkeiten, euch weiterzubilden, Mentorin zu werden oder eure Fähigkeiten zu erweitern.
- Scheut euch nicht, Risiken einzugehen und lasst euch von der Angst vor dem Versagen unter keinen Umständen einschränken. Seid bereit, gegebenenfalls eure Komfortzone zu verlassen, Chancen zu packen und die Initiative zu ergreifen.
- Vertraut euch selbst: Vertraut auf eure Fähigkeiten und euren Wert. Unterschätzt euer Potenzial nicht und lasst euch auch nicht von allfälligen Zweifeln entmutigen.
- Und denkt zu guter Letzt daran, dass jeder Weg einzigartig ist. Bleibt euch also treu und seid beharrlich. Manchmal schliesst sich eine Tür, damit sich eine andere öffnen kann.
Andrea Zumbach und Martina Vontobel: Vereins-Vorsitzende und Zwillingsschwestern
Martina Vontobel, Vizepräsidentin Renngruppe Zürcher Oberland:
«Meine Zwillingsschwester ist in ihrer Art, den Verein zu führen, sehr pflichtbewusst. Sie setzt sich sehr ein und bildet sich mit Weiterbildungen im Vereinswesen auf diversen Ebenen weiter. Sie sieht Zusammenhänge, die mir erst dann bewusst werden, wenn sie sie mir erklärt. Dieses Pflichtbewusstsein fehlt mir manchmal. Ich bin eher der Typ, der Geselligkeit liebt und sich darum auch engagiert. Daher würde ich nicht nein sagen, wenn ich etwas von diesen Eigenschaften abbekäme.»
Der Plan wäre eigentlich ein anderer gewesen: Eigentlich wollte Luana Bergamin Ski-Profi werden. Wie so oft spielte das Leben nicht ganz mit, eine hartnäckige Erkrankung an Pfeiffer’schem Drüsenfieber machte der Absolventin des Sport-Gymnasiums Davos einen Strich durch die Rechnung, und so kehrte die Bündnerin mit 20 Jahren dem aktiven Skirennsport den Rücken – nicht aber dem Sport an sich: Luana Bergamin studierte in Bern Wirtschaft und Sport, war danach in diversen Sportverbänden tätig und konzipiert und organisiert heute mit ihrer eigenen Agentur Sportevents. Sie ist zudem OK-Präsidentin für den Ski-Weltcup Lenzerheide – und damit erste Frau an der Spitze eines Weltcup-OKs –, amtet nebenbei am Lauberhornrennen als Rennsekretärin und ist an den IBU Biathlon World Championships 2025 für den Bereich Event-Marketing und Ticketing verantwortlich. «Auch wenn es mit der Sportkarriere nicht geklappt hat, bin ich dem Sport treu geblieben, einfach als Sportfunktionärin, und durfte so meine Leidenschaft dennoch zum Beruf machen.»
Mit derselben Leidenschaft, mit welcher Luana Bergamin einst selbst Sport trieb, setzt sie sich heute für den Sport ein. Die Bündnerin verfolgt ihre Anliegen im Behindertensport und für Frauen im Sport zielstrebig und mit viel politischem Gespür. Entsprechend überrascht es wenig, dass sie auch politisch engagiert ist. «Für mich sind Sport und Politik sehr eng verflochten», bestätigt Bergamin. Deswegen habe sie irgendwann angefangen, sich mit der Sportpolitik auseinanderzusetzen. Ihr Engagement für Frauen im Sport gipfelte darin, dass sie im Herbst 2019 gemeinsam mit 20 anderen engagierten Frauen mit «Sporti{f} - the community for women in sport» eine Plattform für Sportlerinnen und Frauen geschaffen hat, auf der Frauen, die privat oder beruflich im Sport tätig sind, ihre Erfahrungen teilen, sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam ihre Stärken im Sport entfalten können. Parallel dazu sei sie in die Politik gerutscht und habe festgestellt: «Das gefällt mir!» Engagement in der Politik bedeute für sie, der Gesellschaft etwas zurückzugeben und Zukunft generationengerecht zu gestalten. «Ausserdem: Netzwerken, mit Leuten reden, Lösungen finden – das entspricht mir, das ist mein Ding.»
Aussagen aus: Luana Bergamin – Status: Bündnerin! Ein Film von Roland Steffen.
Ein Vorbild für andere Frauen
Luana Bergamin, die dem Grossen Rat des Kantons Graubünden angehört und seit einem Jahr Präsidentin der Bürgergemeinde Vaz/Obervaz ist, ist eine begnadete Netzwerkerin. Sie tanzt auf vielen Hochzeiten, und doch bewegt sie sich auf den diversen Parketten zielstrebig und sicher, sei es im Sport, in der Gesellschaft oder in der Politik. Mit ihrem Engagement für Diversität, Inklusion und die Förderung von Frauen im Sport prägt Luana Bergamin die Schweizer Sportlandschaft nachhaltig.
Empowerment von Frauen im Schneesport: Von der Sensibilisierung zur Gleichstellung
Marlen Marconi ist als Leiterin Strategische Projekte bei Swiss-Ski unter anderem zuständig für die Themen Nachhaltigkeit, Gender und Ethik. Die Frauenförderung im Schneesport ist für die Bündnerin ein Herzensthema. Gemeinsam mit Swiss-Ski Präsidiumsmitglied Florence Koehn hat sie das erste Get-together im Schneesport in Bern initiiert. Laut Marlen Marconi gibt es verschiedene Ansätze, um die Geschlechterungleichheit im Schneesport zu bekämpfen und mehr Frauen für Führungspositionen und weitere Positionen zu gewinnen:
- Förderung von Chancengleichheit: Der Zugang von Frauen zu Sportarten und Sportorganisationen muss verbessert werden, indem Hindernisse wie finanzielle Barrieren, Geschlechterstereotype und traditionelle Rollenbilder abgebaut werden.
- Bewusstsein schaffen: Es ist wichtig, Bewusstsein für Geschlechterungleichheit zu schaffen und die Menschen dazu zu ermutigen, gegen Vorurteile und Stereotype anzukämpfen. Sensibilisierungsmassnahmen wie zum Beispiel dieses Dossier können helfen, Veränderungen herbeizuführen.
- Sichtbarkeit: Die Sichtbarkeit von Frauen in Führungspositionen und Trainingsrollen ist von grosser Bedeutung. Es braucht Role Models, Vorbilder also, an denen sich andere Frauen orientieren können und die Mädchen und Frauen ermutigen, ihre eigenen Ambitionen im Sport zu verfolgen.
- Unterstützung von Frauen im Sport: Es braucht Unterstützungssysteme, die Frauen dabei helfen, Führungspositionen und Trainingsrollen im Sport zu übernehmen. Dies kann durch Mentoring-Programme, spezielle Schulungen und Förderprogramme erreicht werden.
Swiss-Ski legt im langfristig ausgerichteten Programm «Frauen im Schneesport» den Fokus auf vier Handlungsfelder: Empowerment, Guidance, Visibility & Portrayal, Safe & Inclusive Environment. In diesen Feldern werden in den nächsten Jahren verschiedene Ansätze verfolgt und Projekte umgesetzt, um künftig ein ausgeglicheneres Geschlechterverhältnis in den Führungspositionen und in den Betreuungsteams im Schneesport zu haben.